Lizenz zum Töten


Das Tierschutzgesetz räumt einem Amtstierarzt eine Art „Lizenz zum Töten“ ein: das Recht, ein Tier, welches nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder  Schäden leben kann, einzuschläfern. Dies aber nur unter Voraussetzung, dass das Tier vom Tierhalter vernachlässigt wird, sprich keiner sich um das Tier vernünftig kümmern kann.  (§16a (1),2 TierSchG)

Die Behörden und anscheinend auch die Gerichte interpretieren aber diesen Paragraphen ganz eigenartig:

Sie glauben, auch wenn ein Tier alters- oder krankheitsbedingt leidet, liegt eine Vernachlässigung seitens des Tierhalters vor, denn „keiner darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. (§1 TierSchG)
Der Tierhalter füge seinem Tier Leiden zu, dadurch, dass er das Tier nicht einschläfern lässt. Und das hieße, die Behörde könne auf die „Lizenz zum Töten“ laut dem §16a zugreifen.
Dazu kommt noch, dass die Begriffe „Leid“  und  „erhebliches Leiden“ nicht klar definiert sind und in der Praxis von Amtstierärzten sehr willkürlich ausgelegt werden.

Grundsätzlich: solche Interpretation eröffnet praktisch die Jagdsaison auf alte und kranke Tiere, denn die Behörde darf sie, nach eigenem Ermessen, den Tierhaltern wegnehmen und einschläfern.

Wir behaupten, im Gesetz geht es um etwas anderes: nämlich darum, dass ein Amtstierarzt nur zur Feststellung der Vernachlässigung eines Tieres berechtigt ist. Tötung wird dem Amtstierarzt zwar als Recht zugestanden, jedoch einzig nur dann, wenn das Tier  vernachlässigt wird, wenn also der Tierhalter die Anforderungen des §2 TierSchG nicht erfüllt.

Ein altes, behindertes oder krankes Tier hat auch das Recht zu leben. Genau wie ein alter, behinderter oder kranker Mensch.

Lieber sterben als mit Leiden leben?


Ein leidendes Tier zu töten diene seinem „Wohlbefinden“, – davon gehen die Behörden aus.

Sie meinen damit, dass das Tier selbst lieber sterben würde, als mit Leiden weiter zu leben. Dies ist aber rechtlich und wissenschaftlich unhaltbar:  Tiere fressen sich sogar Körperteile ab, um sich aus einer Falle zu retten und der Todesgefahr zu entkommen. Menschen im letzten Krebsstadium mit nicht mehr medikamentös behebbaren Schmerzen nutzen jede Chance, um das Leben nur um wenige Tage oder Stunden zu verlängern. Sogar bei voller körperlicher und geistiger Erschöpfung  mobilisiert der Körper eines Tieres und eines Menschen reflektorisch alle Kräfte, um ums Überleben zu kämpfen.


Lebewesen bevorzugen in meisten Fällen ein Leben mit Schmerzen und Leiden dem Tod.

Niemand darf zwar einem Tier Leiden zufügen, doch wenn es krankheits- oder altersbedingt leidet, darf auch keiner es einfach so töten, denn es will nicht sterben. Und das würde auch gegen den Sinn und Zweck des Tierschutzgesetzes verstoßen, das Leben und Wohlbefinden eines Tieres zu schützen. Tötung ist keine Handlung, die das Leben oder Wohlbefinden eines Tieres schützt.  Auch kranke, alte und Tiere mit Schäden und Einschränkungen haben das Recht auf Leben. Deswegen sieht auch der Gesetzgeber Tötung nur als Option für den Fall vor, dass ein solches Tier vom Tierhalter vernachlässigt wird, dass sich keiner um es kümmert.

 

Tierschutzgesetz

§1

Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Tierschutzgesetz

§ 16a

(1) Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere

1. im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen,

2. ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann,

Tierschutzgesetz  

§2

Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

1. muß das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,

2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,

3. muß über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.